#4 Operieren bald nur noch Roboter?
Shownotes
In unserer vierten Episode ist Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Götzinger zu Gast. Er leitet die Klinische Abteilung für Chirurgie am Universitätsklinikum St. Pölten und berichtet etwa darüber, wie gut die Zusammenarbeit mit Robotern im Operationssaal funktioniert.
+++ Zusätzliche Infos zum Einsatz des OP-Systems "DaVinci" im Universitätsklinikum St. Pölten erfahren Sie auf der Website: https://bit.ly/ukp_davinci
+++ Weitere Informationen über das Universitätsklinikum St. Pölten finden Sie im Internet unter: https://stpoelten.lknoe.at
+++ Informationen über Karrierechancen und Ausbildungsmöglichkeiten in der NÖ Landesgesundheitsagentur finden Sie unter: https://karriere.noe-lga.at
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00:00:00: Also ich hoffe, dass das Herz durch unseren OP-Roboter nicht verloren geht, aber es ist sicher richtig, dass die Chirurgie immer technischer wird.
00:00:11: Es wird immer ausgefeilter und der OP-Roboter ist aber eine Einrichtung, eine Möglichkeit, die uns hilft.
00:00:21: Sie hören G1.3, das Sprechzimmer, der Podcast aus dem Universitätsklinikum St. Pölten mit Oliver Loiskandl und Peter Redl-Lenk.
00:00:40: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich begrüße Sie recht herzlich zum mittlerweile traditionellen Podcast des Universitätsklinikums St. Pölten.
00:00:48: In unserer heutigen Episode werden wir uns mit dem Thema "Chirurgie" beschäftigen und uns gegenüber sitzt heute Primarius Prof. Dr. Peter Götzinger,
00:00:59: der medizinische Abteilungsleiter der größten chirurgischen Abteilung in Niederösterreich und wahrscheinlich einer der größten chirurgischen Abteilungen in Österreich.
00:01:10: Lieber Peter, vielen Dank für deine Zeit, vielen Dank für die Teilnahme, weil ich glaube, dass Chirurgen im Haus ja wahrscheinlich nicht unbedingt an Langeweile leiden.
00:01:19: Ja, danke mal für die Einladung.
00:01:21: Für mich ist das heute auch eine neue Erfahrung, weil ich eben noch keinen Podcast aufgenommen habe.
00:01:28: Ja, wir Chirurginnen und Chirurgen sind natürlich sehr beschäftigt, vor allem, weil wir eine große Abteilung hier in St. Pölten haben.
00:01:34: Du sprichst es ja an, was ist denn Chirurgie im Universitätsklinikum St. Pölten, was sind so unsere Schwerpunkte?
00:01:43: Weil wir beide haben natürlich im Vorfeld auch so ein bisschen gespoilert, dass wir dieses Thema Chirurgie,
00:01:49: dieses Thema Chirurgische Abteilung St. Pölten behandeln werden und da war es interessanterweise so, dass wirklich jeder, den man gefragt hat,
00:02:00: sowohl im Haus, als auch außerhalb des Hauses, war recht interessiert an dem Thema Chirurgie.
00:02:06: Das ist was für die Leute sehr mystisches, sehr abstraktes, sehr kurioses.
00:02:13: Womit beschäftigt sich jetzt ein Chirurg in einer Universitätsklinik?
00:02:18: Also, Chirurgie ist ein Wort, das sich aus zwei Zielen zusammensetzt, eigentlich heißt Chirurgie Handarbeit.
00:02:28: Die Chirurgie ist aufgespalten in viele, viele Teilfächer, also Unfallchirurgie, plastische Chirurgie.
00:02:36: Wir machen allgemein Chirurgie, Viszeral Chirurgie, das beinhaltet die Chirurgie der Brüche,
00:02:44: beinhaltet die Chirurgie der inneren Organe und natürlich auch der endokrinen Organe.
00:02:51: Wir beschäftigen uns sehr viel und vordergründig mit der onkologischen Chirurgie.
00:02:57: Das ist eine große Standbein.
00:02:59: Das zweite große Standbein ist die Gefäßchirurgie, die wir hier machen.
00:03:04: Insgesamt ist der Standort hier ein großer, weil - du hast es eingangs gesagt - im Universitätsklinikum,
00:03:12: damit sind wir für viele andere Abteilungen ein Referenzzentrum,
00:03:19: das auch in Beschlag genommen wird, in Anspruch genommen wird,
00:03:23: dass viele Patienten aus anderen Häusern, die dort nicht mehr behandelt werden können,
00:03:27: übernehmen und bei uns dann weiter behandeln und weiter operativ behandeln.
00:03:32: Also ein Thema war die Brüche.
00:03:36: Wir haben zuerst gesagt, die Chirurgie spaltet sich auf in mehrere Fachgebiete.
00:03:40: Jetzt wäre für mich der Aspekt Bruch.
00:03:43: Eher, was was die Unfall-Chirurgie betrifft, in dem Fall handelt das sich bei einem Bruch,
00:03:48: aber nicht um einen Knochenbruch.
00:03:49: Nein, das sind keine Knochenbrüche, das sind Bauchbandbrüche.
00:03:52: Also Leistenhernien, dann Narbenhernien, also Narbenbrüche und auch die Brüche an Zwergfälle.
00:04:00: Die Zwergfellbrüche, mit denen wir uns auseinandersetzen,
00:04:04: ist ein relativ großes Thema, weil die Bauchwandbrüche sehr häufig vorkommen in der Bevölkerung.
00:04:13: Chirurgie ist ein Begriff, nicht jeder stellt sich da was vor.
00:04:16: Man schneidet im Grunde einen Patienten, eine Patientin auf und repariert dann, sage ich, jetzt einmal laienhaft im Körper etwas
00:04:26: oder entfernt etwas oder fügt da möglicherweise was hinzu.
00:04:30: Und ich glaube, dass da mehrere Methoden gibt, um dieses Aufschneiden zu ermöglichen.
00:04:37: Also ich glaube, dass wir ja sehr viel über Knopfloch-Chirurgie machen,
00:04:42: dass wir wenig sehr große Schnitte erzeugen da im Haus.
00:04:48: Wo liegt da unsere Expertise und wo liegen da unsere Schwerpunkte?
00:04:54: Also prinzipiell ist Chirurgie invasiv und invasiv heißt, dass wir mit dem Skalpell beginnen.
00:05:00: Das heißt, wir schneiden.
00:05:03: Die Jure braucht es auch immer die Einwilligungserklärung des Patienten,
00:05:06: sonst wäre das eine schwere Körperverletzung, die Jure, wenn man das nicht hat.
00:05:11: Das Versinnbildlicht eben, dass das invasiv ist und für den Patienten belastbar ist.
00:05:17: Und die Belastung für die Patientin, für die Patienten ist umso größer, je größer der Schnitt ist.
00:05:24: Deswegen ist das Ansinnen von der Chirurgie, diese Schnitte immer kleiner zu gestalten.
00:05:29: Du hast das angesprochen, das ist die Knopfloch-Chirurgie, das ist die minimalinvasive Chirurgie,
00:05:35: die nicht mehr die großen Schnitte bevorzugt, sondern die Überdruckare.
00:05:42: Das sind Hülsen, die man den Körper einbringt, auch über den kleinen Schnitt.
00:05:46: Und die Hülsen sind zwischen 5 mm und 12 mm groß, einbringt und dann mit modernen Kamerasystemen
00:05:55: visualisiert im Bauch, nachdem man den mit CO2 aufbläst.
00:06:00: Und dann im Bauch die operativen Schritte durchführen kann, die man früher über den großen großen Schnitt gemacht hat.
00:06:09: Wir versuchen immer weniger invasiv zu werden, oft lässt sich aber der Schnitt nicht vermeiden.
00:06:17: Aber die Tendenz geht deutlich Richtung immer weniger invasiv und bildet sich jetzt auch ab
00:06:24: mit unserem Da Vinci-Roboter-System, das wir seit Mai 2023 für uns in Betrieb haben,
00:06:31: ab und versucht für die Patienten die Operation weniger belastend zu machen,
00:06:39: aber die Operation in der Schwierigkeit groß sein lässt.
00:06:48: Da ist jetzt ein Wort gefallen, diese Roboter-Chirurgie.
00:06:52: Ich habe heute in der Früh beim Frühstückstisch mit meinen Kindern darüber geredet und gesagt,
00:06:56: wir werden heute einen Podcast aufnehmen mit einem Chirurgen und wir werden über eine Roboter-Chirurgie reden.
00:07:02: Und ich habe gesagt, was würdet ihr hier diesem Chirurgen fragen wollen?
00:07:07: Und eine Tochter von mir hat gesagt, na geht nicht durch die Roboter-Chirurgie
00:07:13: das Herz der Medizin verloren.
00:07:17: Und ich habe gesagt, was meinst du mit Herz?
00:07:20: Und sie hat gesagt, na ja, der menschliche Faktor, in dem man mit den Patienten redet
00:07:27: und dass die Patienten ja nicht einen Roboter gegenüber sitzen oder stehen,
00:07:32: sondern dass da der Mediziner, das ist ein großer Teil der Arbeit, das Gespräch auch,
00:07:39: ja und ich nehme an, auch des Chirurgen, das das wegfällt.
00:07:42: Und ich habe mir dann gedacht, das ist total spannend, was versteht man unter Roboter-Chirurgie eigentlich?
00:07:48: Also wie kann man sich das vorstellen?
00:07:50: Und wir haben in der Pflege, hört man auch immer, wir haben Roboter in der Pflege,
00:07:55: also aus Japan, wo irgendwelche...
00:07:58: Wie kann ich mir Roboter-Chirurgie vorstellen, was ist das?
00:08:03: Also ich hoffe, dass das Herz durch unseren OP-Roboter nicht verloren geht,
00:08:10: aber es ist sicher richtig, dass die Chirurgie immer technischer wird.
00:08:17: Es wird immer ausgefeilter und der OP-Roboter ist aber eine Einrichtung,
00:08:24: eine Möglichkeit, die uns hilft, laparoskopisch, minimal invasiv, immer besser zu werden.
00:08:33: Das heißt, das Patientengespräch, die Aufklärung vor der Narkose bleibt immer gleich
00:08:38: und auch nach dem Aufwachen wieder aus dem OP.
00:08:41: Aber während die Patientin, der Patient schläft, kommt eben der Roboter zum Einsatz.
00:08:47: Das macht dann für den Patienten keinen Riesenunterschied, obwohl es einen Riesenunterschied macht,
00:08:54: weil er einfach minimal invasiv operiert wird.
00:08:57: Und der Roboter operiert aber nicht, sondern der "Da Vinci" ist ein roboterassistiertes Operationssystem.
00:09:06: Das ist etwas anderes, als man sich jetzt landläufig vorstellt, wie man sagt,
00:09:10: okay, die Lichter gehen aus im OP, es kommt ein Roboter, der macht das.
00:09:14: Das macht er nicht, sondern der Roboter ist nichts anderes als ein Riesencomputer,
00:09:19: der die Bewegungen von uns Chirurginnen und Chirurgen en in die Konsolen übersetzt.
00:09:25: Wir haben drei Einheiten am Da Vinci Roboter.
00:09:29: Das eine sind die Roboterarme, die an den Hülsen, an den Trokarn angekoppelt werden, am Patienten.
00:09:36: Die zweite Einheit ist die Recheneinheit, das ist dann der Roboter eigentlich, das ist das Herz vom Roboter.
00:09:42: Und die dritte Einheit ist die Konsole, wo wir sitzen.
00:09:47: Und wir schauen an dieser Konsole auf einen Monitor, der das Operationsbild 10-fach vergrößert
00:09:55: und uns ein dreidimensionales Bild macht.
00:09:58: Dort können wir dann mit den Handgriffen, die dort angebracht sind, operieren.
00:10:04: Wir machen die Bewegungen und diese Recheneinheit übersetzt die Bewegung, die wir machen auf die Roboterarme.
00:10:10: Und diese Roboterarme sind nichts anderes als verlängerte Arme von uns.
00:10:15: Also sie sind nach wie vor essentiell, sie sind vor Ort und sie operieren eigentlich.
00:10:20: Und der Roboter hilft ihnen dabei.
00:10:24: Ist eine Unterstützung für uns.
00:10:27: Ja, ist eine Unterstützung für uns, um jetzt den Schwierigkeitsgrad laparoskopisch weiter hinauf zu treiben.
00:10:34: Das heißt, wir können jetzt Dinge dann mit dem Roboter noch laparoskopisch operieren,
00:10:39: die man ohne Roboter nicht mehr laparoskopisch operieren könnte, sondern mit Bauchschnitt.
00:10:45: Das ist eine Hilfe.
00:10:47: Welche Operationen werden das zum Beispiel?
00:10:50: Das sind Operationen im gesamten Bauchraum.
00:10:55: Das sind Operationen zum Beispiel am Magen, am Zwergfell, an der Leber, Bauchspeicheldrüse,
00:11:01: Dünndamm und Dickdamm und natürlich auch am Mastdarm.
00:11:06: Und das ist eine wirkliche Hilfe.
00:11:09: Also ich bin kein Early Adopter von technischen Möglichkeiten.
00:11:13: Ich bin immer einer der, der sagt, würde ich mich selber gerne damit operieren lassen?
00:11:17: Mittlerweile muss ich sagen, ja, wenn es die Chirurin und der Chirurg kann,
00:11:21: dann würde ich mich damit wirklich operieren lassen, weil es eine Erweiterung ist, eine Verbesserung.
00:11:25: Das Gerät, glaube ich, ist so wie eine Spinne, also mehrere Arme, die an einer Säule mehr oder weniger befestigt sind.
00:11:34: Und der Chirurg wiederum sitzt wie vor so ein Arcade-Gerät, also früher so Videospielkonsolen geben,
00:11:42: wo man ein Bildschirm hat und mehrere Controller und die bedient Chirurg und das wird sozusagen übersetzt.
00:11:50: Ich glaube, wir werden für die Zuhörerinnen und Zuhörer einen Link in die Shownotes veröffentlichen,
00:11:54: wo man vielleicht dieses Gerät da, ein bisschen sieht.
00:11:58: Jetzt ist es so, du bist jetzt nicht seit gestern Chirurg, sondern viele Jahre Chirurg
00:12:06: und nachdem ich 50 bin, gehe ich davor aus, dass du jetzt nicht unmittelbar mit Computerspielen aufgewachsen bist.
00:12:14: Wie findet man sich in so einem System ein?
00:12:18: Weil ich glaube, eine gewisse Fingerfertigkeit ist ja sowieso für einen Chirurgen zwingend erforderlich,
00:12:24: und ein räumliches Denken wahrscheinlich, aber wie adaptiert man sie an so ein Roboter-System?
00:12:31: Also die Firma, die dieses Gerät vertreibt, hat da ganz strenge Schulungsvorgaben,
00:12:38: du kannst dich jetzt nicht hinsetzen und einfach mit dem Ding operieren, sondern es gibt Übungsprogramme,
00:12:46: die wir zugekauft haben, da kann man dann ohne, dass dieses Gerät gekoppelt ist,
00:12:51: am Monitor Übungen durchführen.
00:12:54: Dann wird man auch von dieser Firma geschickt zu Operationen im In- und im Ausland, um sich das anzuschauen.
00:13:04: Dann ist natürlich in dieser Vorbereitungsphase auch eminent wichtig, dass wir die OP-Pflege dabei haben
00:13:10: und auch unsere OP-Assistenten, weil es müssen alle damit umgehen können, weil das ist extrem komplex.
00:13:18: Wir haben einen eigenen Operationstisch, der mit diesem System auch gekoppelt ist,
00:13:23: das heißt der Patient muss entsprechend gelagert werden.
00:13:26: Die OP-Pflege muss die Instrumente kennen, die OP-Pflege muss wissen, auch wie man andockt, wie man abdockt.
00:13:33: Und das alles war sehr komplex.
00:13:35: Also aufgestellt wurde das Gerät vor einem Jahr im Jänner und wir haben im Mai dann die ersten Operationen gemacht
00:13:42: und diese ersten vier Monate waren einfach Schulungen.
00:13:45: Mh.
00:13:46: Und es ist ja so, dass das Gerät nicht nur uns Chirurginnen und Chirurgen zur Verfügung steht, sondern das bedienen auch oder verwenden auch unsere Urologen und unsere Gynäkologen.
00:13:56: Das teilen wir unter uns auf, damit das Gerät möglichst optimal eingesetzt wird, weil es natürlich nicht ganz billig ist.
00:14:04: Und merkt man jetzt dann Unterschied zwischen den Generationen, die womöglich schon mit Konsolen, mit diesen Kontrollern usw. aufgewachsen sind oder ist das was, wo jeder relativ jungfräulich beginnt?
00:14:19: Du meinst, der Mediziner, der einen Teil seines Studiums an der Playstation verbracht hat, tut sich leichter?
00:14:24: Womöglich, das wäre jetzt meine Hypothese, dass der so zusammen hingeht und dann sagt, schnick, schnack, das funktioniert gut.
00:14:32: Also in meiner Jugend, wo meine Eltern das Computerspielen absolut verboten, das war gebrandmarkt, das habe ich nicht gehabt, hab's aber auch gelernt.
00:14:41: Aber man merkt schon, dass die, die eine Playstation zu Hause gehabt haben, am Beginn schneller waren, absolut. Aber das gleicht sich dann aus.
00:14:52: Das ist fein.
00:14:53: Haben Sie Angst, dass ein Roboter im OP, die Notwendigkeit des Chirurgen vor Ort irgendwann einmal, dass Sie quasi Ihren Arbeitsplatz verlieren?
00:15:09: Also ich bin schon so weit vorgeschritten, dass ich nicht meinen Arbeitsplatz verliere.
00:15:15: Aber gedacht war es ursprünglich so. Also gedacht war in der Entwicklung von diesen Robotersystemen, das hat das amerikanische Heer entwickelt zunächst,
00:15:27: oder die haben das versucht, dass sozusagen der Chirurg abseits sitzt, eben auf seinem Flugzeugträger dort operiert und diese Arme dann vor - im Kriegsgebiet - dort diese Operationen machen.
00:15:42: Das hat sich dann aber aufgrund dieser Riesendatenmengen, die da hin und her geschoben werden, als eher illusorisch herausgestellt, dann wurde das verkauft und wurde weiterentwickelt.
00:15:55: Ich kann's nicht sagen.
00:16:00: Rein theoretisch wäre es schon denkbar, dass die künstliche Intelligenz kleinere Operationen sicher oder nicht sicher, aber es wäre denkbar, dass die einige Operationsschritte automatisch durchführen.
00:16:15: Das könnte ich mir vorstellen, auch wenn es nicht in den nächsten 10, 20 Jahren so weit sein wird.
00:16:20: Aber was dann kommen wird, ich sag niemals nie.
00:16:24: Ja, ja, das sehen wir jetzt. KI ist so ein großes Thema. Ich denke, das ist sicher in der Kirurgie auch ein großes Thema.
00:16:31: Wo immer immer wieder Gedanken macht, ist die Frage, wenn sie operieren. Sie vergessen ja nicht, dass sie einen Menschen operieren.
00:16:40: Und ich denke, durch ihre Expertise haben sie wahrscheinlich auch im Kopf, mit welcher Lebensqualität endet diese Operation für den betroffenen Menschen.
00:16:53: Und da habe ich ein bisschen Bedenken, ob KI diesen menschlichen Faktor und diese Kompetenz erlernen kann oder ob der Chirurg nicht immer essentieller Bestandteil sein wird.
00:17:06: Ich glaube schon, dass wir essentieller Bestandteil bleiben werden, rein aus Sicherheitsgründen heraus.
00:17:13: Aber der KI hat schon vieles übernommen, wenn wir jetzt ans Radiologiesystem denken, wo schon der KI Befunde erstellt, die deutlich das Niveau der Medizinerinnen und Mediziner erreicht.
00:17:28: Wie gesagt, dass es Teil ist und einige Schritte während der Operation mit übernimmt.
00:17:34: Wäre denkbar, aber derzeit sind wir natürlich notwendig nicht. Und die Frage ist, wollens die Patienten so haben?
00:17:43: Jetzt, wer so eine Dystopie die gleich bei mir im Kopf aufbloppt, was kann diese Maschine selbsttätig überhaupt irgendwas machen?
00:17:52: Bestätigt die Gefahr, dass man sagt, der beginnt plötzlich selbst zu agieren?
00:17:57: Die Gefahr besteht jetzt absolut nicht, sondern das Gerät macht nur das, was wir machen. Und es gibt da ganz genaue Notfallgeschichten.
00:18:04: Für uns ist immer die Gefahr, das Gerät bei sich abzustellen. Dann müssen wir die richtigen Schlüssel in der Hand haben, dass wir das wieder weiterführen können, die Operation.
00:18:13: Aber dass das Gerät bei sich was übernimmt, sicher, sicher nicht.
00:18:17: Aber selbst dafür gibt es einen Plan B, selbst wenn jetzt der Strom ausfallen würde?
00:18:23: Genau, dann haben wir die Tools, die wir dann mit mechanischen Schlüssel das lösen und die Trokare entfernen und dann konventionell das zu Ende bringen.
00:18:33: Deswegen braucht es eben die Expertise, dass man es offen machen kann, dass man es minimal invasiv mit den normalen Trokaren machen kann und optimal dann auch mit den Trokaren des Robotosystems.
00:18:44: Je mehr man kann, umso besser.
00:18:47: Wir haben jetzt schon relativ breite Spektrum besprochen, was Chirurgie anbelangt.
00:18:53: Wie wird man denn grundsätzlich Chirurg?
00:18:57: Für mich ist schon mal kaum vorstellbar, dass ich in einen Menschen schneide.
00:19:03: Dazu wird es ja schon eine gewisse Überwindung brauchen, dass man einen Riesenschnitt führt, dass man in einer Körperhöhle quasi eindringt von außen.
00:19:14: Wie kommt es zu dem, wie ist der Peter Götzinger Chirurg geworden?
00:19:19: Ich glaube, es braucht das Interesse, dass man sich vorstellen kann, Chirurgie zu machen.
00:19:26: Es ist ja nicht so, dass man der Studium beginnt und weiß, ich werde Chirurg, bei mir war es ein bisschen anders, weil mein Vater Chirurg war.
00:19:32: Und deswegen habe ich mich schon von klein auf damit auseinandergesetzt und dafür interessiert, aber der Weg jetzt ist, dass er mein gewisses Interesse besteht.
00:19:41: Und dann schließt man der Studium ab und dann geht man in den Turnus hinein und rotiert im Turnus auch über die operativen Fächern.
00:19:49: Das ist ja nicht nur die Allgemein- und Viszeral- und Gefäß-Chirurgie, das ist ja dann auch Urologie, das ist Unfallchirurgie in anderen Fächern.
00:19:56: Dann sieht man, ich hätte ein Interesse, oder ich könnte mir das vorstellen, dann braucht man einen Ausbildungsplatz.
00:20:04: Wenn man diesen Ausbildungsplatz hat, dann dauert die Ausbildung sechs Jahre und wenn man die Ausbildung abgeschlossen hat,
00:20:13: braucht es dann natürlich noch viele Jahre mehr, um da eine Expertise oder diese Erfahrung zu entwickeln,
00:20:19: dass man mit den Problemen, die sich tagtäglich ergeben, auch wirklich gut umgehen kann.
00:20:23: Also es ist ein langer Prozess und ich mache das jetzt seit fast 35 Jahren und habe immer noch nicht das Gefühl,
00:20:28: dass ich alles kann und lerne eigentlich jeden Tag wirklich dazu.
00:20:32: Man muss immer sehr demütig bleiben als Chirurg, also ich als Chirurg,
00:20:36: weil man immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert wird, die herausfordernd sind.
00:20:43: Und was wären so die Skills, die man unbedingt braucht, also wo man sagt, wenn du das nicht kannst,
00:20:50: dann interessiere dich für was anderes als junger Mensch, der jetzt Medizin studieren will?
00:20:55: Man braucht Geduld, man braucht Hartnäckigkeit, ja.
00:21:00: Und man braucht auch ein hohes Frustrationslevel im Sinne von,
00:21:05: dass man über seine eigenen Belastungsgrenzen auch bereit ist, hinauszugehen.
00:21:09: Also ich wurde sozialisiert an der Klinik in Wien, an der ersten Universitätsklinik,
00:21:16: in Phasen, in Zeiten der erste Schwämme.
00:21:19: Also wir wurden nicht wirklich gebraucht und sind dann eigentlich anders sozialisiert worden.
00:21:24: Also wenn man hineingerutscht ist, und ich bin als Transplantkoordinator damals hineingerutscht,
00:21:29: in die Chirurgie, waren die 100 Wochenstunden normal.
00:21:33: Das war das erste, und da ist nicht gefragt worden, ob mir es dann auch gesund ist dabei,
00:21:38: sondern friss Vogel oder stirb.
00:21:41: Das hat sich jetzt komplett umgedreht durch das Arbeitszeitgesetz in die 45 Stundenwoche
00:21:48: oder 42 Stundenwoche, was das andere Pendel ist.
00:21:52: Und ich hoffe, dass wir vernünftig genug werden, dass wir da irgendwann einmal den Zwischenschritt machen können
00:21:59: und das ausgleichen, dass man auch als junger, junge Chirurgin arbeiten darf,
00:22:05: und zwar 60 Stunden in der Woche.
00:22:07: Weil das ist ein Handwerk.
00:22:09: Man kann es nicht aus Büchern lernen, sondern man muss das im OP lernen, indem man es übt, immer wieder übt.
00:22:16: In dem man zuschauen kann, schaut, wie machts die Chirurgin, wie machts der Chirurg, wie man ich,
00:22:21: dann habe ich es wieder gemacht, dann schauen wir es wieder an, weil wir haben andere,
00:22:24: und das ist einfach was wächst, wie man das Instrument lernt zu spielen.
00:22:28: Da kann man auch nicht sagen, du darfst jetzt nur zwei Stunden am Tag üben, weil es sonst ist zu anstrengend,
00:22:34: sondern optimal wäre es, wenn man das wieder hinauf fährt, nicht auf 100 Stunden,
00:22:40: das ist viel zu viel, aber dass man nicht bestraft wird, wenn man das Interesse hat und sagt,
00:22:44: jetzt habe ich mal 60 Stunden gearbeitet in der Woche.
00:22:47: Das wäre wünschenswert, aber da sind wir nicht wir, sondern der Gesetzgeber so unflexibel,
00:22:53: und ihre Vorstellung so boniert und festgefahren, dass wir in unseren Bedenken nicht gehört werden.
00:23:00: Und ich hoffe, dass ich das irgendwann einmal in den nächsten zehn Jahren wieder ausgleicht.
00:23:05: Und nimmt man dieses Feingliederige, nimmt man das ein privat Leben in irgendwelche Hobbys mit,
00:23:13: weil ich kann mir vorstellen, dass wahrscheinlich auch Chirurg hervorragend Gold- und Silber-Schmied wäre,
00:23:18: oder du sprichst die ruhige Hand an, oder Schiffe in Flaschen einbauen kennt.
00:23:26: Ja und nein, es gibt Chirurginnen und Chirurgen, also wenn ich jetzt an meine Lehrer denke, die hatten keine feingliederigen Händen,
00:23:34: waren aber exzellente Chirurgen, wirklich super, man hat extrem gut gelernt.
00:23:40: Und es braucht das Interesse und du siehst das dann, wenn du die Möglichkeit hast, da hinein zu rutschen,
00:23:47: passt es mir und das entscheidet sich dann eigentlich vor Ort.
00:23:52: Man muss jetzt nicht Goldschmied sein, um das zu lernen.
00:23:55: Okay, also man braucht auch nicht dieses, nein, man muss jetzt auch nicht Pianist sein,
00:23:59: und Musiker und Feingliederige. Es gibt welche, die sind es, es gibt welche, die sind es wirklich nicht.
00:24:05: Man merkt es dann im OP, komme ich damit zu Recht, das ist, diese ganze Einheit muss passen,
00:24:10: es braucht die emotionale Belastbarkeit und es braucht dann schon auch die Motoren, die das übersetzt vor Ort.
00:24:17: Das ist aber etwas, was man auch nicht innerhalb des ersten Jahres gelernt hat, sondern das ergibt sich mit der Zeit.
00:24:24: Man muss Geduld haben.
00:24:26: Jetzt ist es wirklich mit viel Druck behaftet, wie geht man mit dem Druck um?
00:24:32: Schwierige Frage. Es ist extrem viel Druck, vor allem für uns hier in St. Pölten,
00:24:38: weil wir einfach im Beschlag genommen werden von den anderen Häusern, die dann akut schicken,
00:24:44: Ende nie, ob wir es wollen oder nicht, das heißt, unser OP ruht nicht in der Nacht,
00:24:49: sondern es wird durchoperiert, es ist eine Belastung für die Pflege, für die Station, für uns Chirurginnen und Chirurgen.
00:24:57: Ja, es ist schwer, man braucht einen guten Ausgleich, es braucht eine gute psychische Gesundheit
00:25:03: und es braucht auch ein gehöriges Maß, das zu reflektieren.
00:25:08: Ja, und dass man miteinander hier vor Ort so umgeht, dass man es ansprechen kann
00:25:13: und dass man untereinander eine Kultur hat, dass man nicht den Druck noch weiter erhöht,
00:25:22: sondern versucht, sich unterstützt, damit man damit umgehen kann.
00:25:29: Aber ein wirkliches Rezept dafür gibt es nicht.
00:25:32: Ich glaube auch, wie bei allen, unseren Podcasts, wie bei allen Themen, die wir da aus dem Universitätsklinikum St. Pölten besprechen,
00:25:39: ist auch das Thema Chirurgie unendlich breit.
00:25:42: Wir könnten wahrscheinlich tagelang über Chirurgie reden,
00:25:45: wir könnten wahrscheinlich tagelang über Dinge reden, die im Bereich der Chirurgie gemacht werden.
00:25:52: Also, ich denke mal, da ist dieses Brustgesundheitszentrum, eben Robotik und so weiter, also vieles mehr.
00:26:00: Nichtsdestotrotz sind wir mit diesen 30 Minuten, die wir uns als Vorgabe geben, eigentlich wiederum am Ende angelangt.
00:26:09: Wenn man so ein Appell geben würde als Chirurg, was wäre das?
00:26:17: Was wäre dein drängendster Appell, den man sozusagen jetzt über den Podcast vermitteln könnte?
00:26:25: Und die Leute da draußen, die da zuhören, genau, ein gesunder Lebensstil, hilft, vieles zu verhindern, was wir zu behandeln haben.
00:26:35: Also, ich denke es an unsere Gefäßchirurginnen und -chirurgen,
00:26:38: das Fach macht ja auch einen Riesenwandel durch im Moment, auch von großen Schnitten in die Intervention hinein,
00:26:45: dass die Radiologen bis jetzt gemacht haben, aber Schritt für Schritt von uns jetzt übernommen werden.
00:26:52: Also, wir haben letztes Jahr zum Beispiel interventionell 45 Aorten-Eingriffe gemacht, was enorm ist.
00:26:57: Und vieles ist assoziiert mit einem ungesunden Lebensstil.
00:27:01: Und es ließe sich durch einen gesunden Lebensstil vieles verhindern.
00:27:06: Ich sage immer, bitte nicht rauchen, gesund ernähren, gut bewegen draußen, Normalgewicht halten, dann lässt sich vieles, vieles verhindern.
00:27:14: Nicht alles. Wir sind nicht unsterblich, aber vieles lässt sich verhindern. Das ist mein Appell an alle.
00:27:22: [Musik]