#5 Moralisches Handeln in der Medizin

Shownotes

Dr. Helga Dier ist Oberärztin für Anästhesie und Intensivmedizin sowie zertifizierte Ethikberaterin im Gesundheitswesen. In der fünften Folge unseres Podcasts spricht sie über die „Hohe Kunst“ der klinisch-ethischen Beratung: Was will die Patientin oder der Patient? Was ist technisch (noch) machbar? Wie viel muss man akzeptieren, um ein Therapieziel zu erreichen? Gibt es ein Vetorecht? Dr. Dier beschreibt zahlreiche Indikatoren, die dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten ohne Bevormundung zu ihren Entscheidungen kommen, um die bestmögliche Versorgung zu erhalten.

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Für gute Entscheidung braucht es auch eine gute Aufklärung in den Worten des Patienten,

sodass er es, er wirklich eine gute Entscheidung treffen kann.

Im besten Fall im sogenannten Modell des Shared Decision Making, wo der Patient gemeinsam

mit dem Arzt, die für ihn allerbeste Art der weiterführenden Therapie, beschließt.

Sie hören G1.3, das Sprechzimmer, der Podcast aus dem Universitätsklinikum St. Pölten mit Oliver

Loiskandl und Peter Redl-Lenk.

Hallo und willkommen zum Podcast des Universitätsklinikums St. Pölten.

In den nächsten Minuten wollen wir uns mit dem Thema Klinisch-ethische Beratung auseinandersetzen.

Als Gast sitzt uns gegenüber Frau Oberärztin, Doktorin Helga Dier, Anästhesistin hier im Klinikum

und Gründungsmitglied des klinisch-ethischen Beratungsteams hier am Standort.

Lieber Helga, vorab vielen Dank für deine Zeit und ich würd gleich mit der ersten Frage beginnen,

wenn dir das recht ist und zwar, was hat dich grundsätzlich zur Medizin gebracht

bzw. zur Anästhesie gebracht und wie erklärt sich dein Interesse für die klinisch-ethische Beratung

in einer Gesundheitsseinrichtung?

Ja, vorerst einmal vielen lieben Dank für die Einladung.

Was hat mich zur Medizin gebracht?

Medizin war eigentlich, glaube ich, schon von Kindesbeinen an ein Wunschberuf,

was es genau war, kann ich jetzt nicht so genau sagen, aber ich habe es dann durchgezogen.

Anästhesie hat sich eigentlich erst spät entwickelt am Ende des Studiums.

Es war früher nicht Teil des Medizinstudiums.

Es war integriert ein bisschen in der Chirurgie, aber kein eigenständiges Fach

und erst durch die Formulaturen da im Krankenhaus ist ma die Anästhesie nähergebracht worden

und hat mich einfach vom Betätigungsfeld wahnsinnig interessiert und ist spannend.

Wie kommt man zur klinisch-ethischen Beratung?

Ich habe vor vielen Jahren die Obliegenheiten der Intensivstation 1 übernommen

und festgestellt, dass im Umgang mit Patienten, im Umgang mit den An- und Zugehörigen

einfach ganz viele Fragen sind, die einer ethischen Argumentation bedürfen.

Auch im Umgang mit Kollegen, dass man hier wirklich gut argumentiert

und es klärt, dass der Patient seine Stellung im Rahmen der Willensbekundung bekommt, etc.

und da habe ich dann auch den Fortbildungsfokus hingelegt auf die klinische ethische Beratung.

Du, liebe Helga, jetzt muss ich da kurz einhaken und zwar ist jetzt schon ganz viel gefallen

und ich würde mich wieder prinzipiell interessieren Anästhesie. Was ist das?

Anästhesie ist im Prinzip in viele Einzelfächer schon aufgeteilt, wenn man so will.

Das Kerngeschäft Anästhesie ist die Narkose, Narkosevorbereitung, Durchführen

der Narkosen während der Operationen, aber auch die Versorgung nach den

in den ersten Stunden in den Aufwachräumen.

Da gehört dazu die Intensivmedizin mit all ihren Facetten.

Da gehört mittlerweile dazu die Schmerztherapie, die Notfallmedizin,

also das, was man herkömmlich draußen als Notarzt sieht,

als Notärztin, Regionalanästhesie, als Teil der Anästhesie, wo man sozusagen durch Nervenblockaden,

jetzt zum Beispiel nur ein Arm anästhesiert, hat sich als eigenes Teilgebiet etabliert.

Das ist immer so alles, was mit Anästhesie zu tun hat.

Also du bist zuständig dafür, dass die Menschen, die Patientinnen während der Operation

gut schlafen und nichts spüren.

Sie müssen nicht immer gut schlafen, bei der Regionalanästhesie

können sie durchaus mitreden, also sie können auch munter sein.

Das kommt darauf an, was man mit den Patienten im Vorfeld besprochen hat,

ob er jetzt sozusagen eine Sättierung dazu möchte, ein Schläfchen, sagen wir mal so,

oder ob er eben wirklich schlafen möchte, anästhesiert sein möchte,

so dass er schmerz- und stressfrei diese Operation übersteht.

Okay, und du hast eben gerade auch Arbeitsgebiete erwähnt,

dass sich für mich sehr akutmedizinisch anhören, also sehr, wie soll man sagen,

sehr stressgeplagt, sehr mechanistisch, sehr - sozusagen - den Patienten wohl zugeneigt,

aber eher ein technisches Fach und Ethik als Teil der Philosophie,

wie bringst du das in diesen Arbeitsbereich ein, bzw. lasst sich das überhaupt im Bereich

Anästhesie irgendwie integrieren oder ist das ganz außerhalb deiner Tätigkeit?

Nein, überhaupt, das lasst sich alles sehr gut integrieren,

weil letztlich der Patient aufgrund seiner Wertewelt die Entscheidungen zu treffen hat.

Was er möchte, das fängt auch an beim Anästhesieverfahren,

ich habe schon vorher gesagt, ob jetzt eine Vollnarkose oder eben eine Regionalanästhesie,

wo man sozusagen durch Nervenblockaden nur einen Teil des Körpers schmerzfrei macht

und es bedarf einer Aufklärung, da sind wir schon beim wichtigen Thema

Aufklärung für die Patienten, für gute Entscheidungen, braucht es auch eine gute Aufklärung

in den Worten des Patienten, sodass es er wirklich eine gute Entscheidung treffen kann,

im besten Fall im sogenannten Modell des Shared Decision Making, wo der Patient gemeinsam

mit dem Arzt, die für ihn allerbeste Art der weiterführenden Therapie beschließt.

Das trifft jetzt, wenn ich es richtig verstehe, den orientierten Patienten,

das heißt also der, der für sich selbst Entscheidungen treffen kann,

gibt es in Bezug auf die klinisch-ethische Beratung irgendein Konzept,

was Patientinnen und Patienten betrifft, die womöglich nicht unmittelbar Herr ihrer Sinne sind

oder nicht über den eigenen Willen sozusagen sie äußern können.

Ja, da gibt es ja so ein Stufenmodell sozusagen, also wir nennen das nicht entscheidungsfähige Patient,

der durchwegs aber auch noch ansprechbar sein kann, der soll einmal Personen kriegen

aus dem sogenannten Unterstützerkreis, das heißt aus dem Kreis der Angehörigen,

aus der Berufsgruppe der Psychologen, Psychologinnen, Sozialarbeiter, Sozialarbeiterin,

andere Vertrauenspersonen, die den Patienten bestärken soll,

in der eigenen Entscheidungsfindung, wenn das alles nicht geht,

wenn wir keine Entscheidung gemeinsam treffen können,

dann schaut man immer ob es einen sogenannten antizipierten Patientenwillen gibt,

das wäre in Österreich die Patientenverfügung, die verbindliche Patientenverfügung

als das Instrument, dann das die Mediziner gebunden sind

oder eben alle anderen, wo der Patient schriftlich seinen Willen kundtun kann,

antizipiert für bestimmte Situationen, ist ein Vetorecht des Patienten,

das heißt er kann darin Dinge ablehnen, was er ablehnt, obliegt dem Patienten.

Laut Professor Birklbauer Linz kann er auch sozusagen dumm entscheiden,

das Recht hat er. Die nächste Stufe wäre dann das Erwachsenen-Schutz-Gesetz,

dass man einen Erwachsenenvertreter in verschiedenen Formen hinzu zieht.

Wenn man das auch nicht hat, dann wird es wichtig, dass man ein sehr empathisches,

offenes Angehörigengespräch führt zum mutmaßlichen Patientenwillen.

Wie hätte jetzt Patient Patientin entschieden,

wenn sie zwischen uns sitzen würde in schwierigen Situationen,

und wenn gar nichts mehr geht, dann in Dubio Provita,

wo die Indikation als Begründung für die Maßnahme,

das schlagende Argument ist für die medizinische Maßnahme.

Jetzt ist das Krankenhaus St. Pölten eine riesige Institution.

Wir haben um die 1000 Patientenbetten und entsprechen viele Patientinnen und Patienten.

Wie differenzierts denn ihr als klinisches-ethisches Beratungsteam,

bei welchen Patienten sozusagen die Unterstützung erforderlich ist,

beziehungsweise welcher Patient da mehr oder weniger mit diesen Entscheidungen allein ist?

Prinzipiell ist die Entscheidungsfähigkeit etwas, was man im Gespräch mit den Patienten

sehr gut explorieren kann, wo schon die Station Vorarbeit leistet, wie sehr entscheidungsfähig ist.

Das ist so im Großen und Ganzen, wo man auch ins persönliche Gespräch einmal mit den Patienten

und dem Betreuungsteam auf der Station kommt und schaut, wie weit Entscheidungsfähigkeit gegeben ist.

Manchmal ist es ein bisschen schwieriger, aber im Großen und Ganzen kommt man immer

auf eine Konsensentscheidung auch bezüglich der Entscheidungsfähigkeit.

Und wie kommt ihr zu den Patienten?

Prinzipiell ist es so, klinische-ethische Beratung wird angefordert.

Das kann jeder im Krankenhaus anfordern.

Der glaubt, dass hier ein ethisches Problem vorliegt und hier eine Entscheidungshilfe gefordert ist.

Das geht über das Telefon per SAP, wo man auch dieses Konzil eingibt.

Ein persönliches Gespräch und man macht dann einen Termin aus, wo man sich möglichst multidisziplinär

und interdisziplinär trifft mit Patient wenn möglich, wenn nicht möglich, mit Angehörigen

oder gesetzlichen Vertretern und versucht unter verschiedenen Gesichtspunkten, die für den Patienten

beste und gewollte Lösung in den weiteren Therapieschritten zu finden.

Jetzt hast du gerade den Begriff multidisziplinär, interdisziplinär erwähnt.

Was bedeutet multidisziplinär? Welche Disziplinen sind in diesem klinisch-ethischen Beratungsteam vertreten?

Danke Oliver. Für die Frage bin ich in dieser Zwitter-Rolle, also ich moderiere und bin Teil des klinisch-ethischen Beratungsteams.

Jetzt ist es eh gut, dass ich da auch mal was dazu sagen darf.

Multidisziplinär ist glaube ich ganz wichtig und wenn man sich die Berufsgruppen anschauen, die drinnen sind,

dann ist es natürlich Pflege, Medizin, die gut vertreten ist.

Wir haben aber auch die Seelsorge, die Physiotherapie, die klinischen PsychologInnen mit im Team.

Also wir sind insgesamt 17 Personen im Klinikum, die der klinisch-ethischen Beratung angehören.

Ich glaube, diese bunte Mischung ist ganz, ganz wichtig, weil wir ja in der Profession auch eigene Sprache sprechen und eigene Blickwinkeln haben.

Und dadurch, dass wir in der Regel zu zweit oder zu dritt aus dem Team der klinisch-ethischen Beratung zu diesen Beratungen gehen,

sind die Fragestellungen oder der Zugang zu den Fragestellungen, ist ein anderer und macht den Blick noch mal weiter.

Das ist ein sehr schönes Zusammenarbeiten, muss man ganz klar sagen.

Jetzt ist man das recht abstrakt, nicht, wir reden so über diese ethische Entscheidungsfindung.

Kennt ihr das vielleicht ein bisschen mehr am Boden bringen, dass man ungefähr versteht, welche Fragestellungen sie da auftun,

womit ihr als Team konfrontiert seid und wie ihr dann sozusagen in dem Prozess der Bearbeitung kommt.

Ja, ich glaube, den Anfang hat die Helga schon gesagt, das heißt, ein Team auf der Abteilung

sieht quasi die Notwendigkeit, dass das zur Entscheidungsfindung noch wer von außen dazu kommt, damit für die Patientin die bestmögliche Versorgung gewährleistet wird.

Meistens kommt es dann, wenn dieser Patientinnen will, von dem die Helga gesprochen hat, nicht klar ist.

Das ist manchmal bei PatientInnen, die den nicht mehr äußern können, die aber im Vorfeld auch nicht dafür gesorgt haben,

wie du schon gesagt hast, PatientInnenverfügungen zum Beispiel, dass die den festgehalten haben und dann gibt es zum Beispiel die Fragestellung PEG-Sonde.

Also PEG-Sonde ist eine Sonde, wo Menschen darüber künstlich ernährt werden können.

Macht die Anlage einer PEG-Sonde für die betroffene Patientin Sinn oder nicht.

Wenn diese Sinnfrage

sich stellt und die im Team nicht gelöst werden kann, dann werden wir oft dazu geholt.

Man kann sagen, das klinische Beratungsteam gibts im Haus seit 2017. Die ersten Beratungen haben

2018 stattgefunden und mittlerweile, damit man ein bisschen eine Größenordnung hat,

sind wir bei ungefähr 24 klinische Beratungen im Jahr. Welche Indikationen

fallen dir noch ein, Helga? Wo siehst du die, du führst auch die häufigsten durch? Kann man

sagen, wo sind die häufigsten Indikationen, wo wir gerufen werden?

Also, das klingt oft so, es ist oft eine End-of-Life-Decision, also eine Entscheidung am

Lebensende, wo man zwischen Patientenwillen und technischer Machbarkeit ganz klar

differenzieren muss, was jetzt für diesen Patienten Sinn macht, was er noch akzeptieren

möchte, um ein gewisses Therapieziel zu erreichen. Und da fällt eh

PEG-Sonde schon darunter, künstliche Ernährungstherapie, gibts ganz vieles,

wo auch sehr viel Unsicherheit noch ist, auch bei den Kollegen und Kolleginnen, ob der

Patient sich das zum Beispiel auch wünschen darf, dass er das nicht mehr

bekommt, wo er sein Veto-Recht ausspielt. Ist das Veto-Recht wirklich vom Patienten

gewünscht, das Bedarf auch aus einer Argumentation und einer Hilfestellung.

Prinzipiell gibt es verschiedene Modelle für Ethikberatung, ob man das an der

Prinzipienethik aufhängt, wos ums Wohlergehen und Nichtschaden und den

Respekt vor der Autonomie geht oder um andere Modelle, mein Lieblingsmodell

ist eigentlich die sogenannte Facilitation. Das heißt, man soll durch gezielte Fragen

und Argumentation sowohl den Patienten, also das Team dazu bringen eine eigene

gute Entscheidung zu treffen. Das ist eigentlich sozusagen dann die

"Hohe Kunst" der ethischen Beratung, dass man das hinbringt, dass es kein

Bevormunden wird, das ist es nicht. Es soll eine Beratung sein, aber eine

Beratung dazu, die eigene Entscheidung zu vertreten. Also dieses Modell gefällt mir

einfach am besten. Du sprichst aber was Interessantes an, nämlich auch dieses

Standesdünkel. Gibt es irgendeine Berufsgruppe, die häufiger zuweist oder

die sie da verantwortlich fühlt, während sich andere Berufsgruppen weniger

verantwortlich fühlen oder ist es über die Gesundheitsberufe gleichmäßig

verteilt? Na ist es sicher nicht, das kommen sich ja mehr Anfragen aus der Pflege.

Aber klinisch-ethische Beratung macht meiner Meinung nach nur Sinn, wenn sie

vom gesamten Team getragen wird. In dem Moment wo einer sagt, braucht man nicht,

wollen wir nicht, macht es relativ wenig Sinn. Also wenn, sollten schon alle an

einem Strick ziehen und das wollen. Vor allem muss man auch den Patienten informieren,

ob er das möchte, wenn er denn entscheidungsfähig ist, weil schließlich geht

es ja um wichtige Dinge in seinem Leben oder in ihrem Leben und dann gehören die

auch mit ins Boot geholt. Es wird insgesamt mehr von den Kollegen.

Ich glaube es ist noch ein bisschen ein Altersfrage. Die Jüngeren, die jetzt an

der Universität teilweise schon Ethikunterricht haben, wos zu meiner Zeit ja

nicht einmal denkbar war, bringen sich hier schon mehr ein und sicher auch von

anderen Berufsgruppen der Wunsch häufiger und in der ethischen Beratung

gibt es keine Hierarchie. Also da heißt es nicht der Arzt die Ärztin hat das

sagen, sondern da ist die Meinung von der Pflegeassistenz, die viel beim

Patienten ist und viel über den Patientenwillen weiß oder auch von draußen vom

Heim. Die Heimpflege, genau so viel wert wie die vom etablierten Facharzt.

Da gibts auch im Gespräch keine Hierarchie.

Bevor es weitergeht, kurz eine Unterbrechung, Werbung in eigener Sache. Wir freuen uns

natürlich, dass sie uns auf unserem Weg durchs Universitätsklinikum

begleiten und wir sind natürlich auch extrem interessiert an ihren

Anregungen, an ihren Bemerkungen beziehungsweise natürlich auch an

potenziellen Themenstellungen, die für sie interessant wären. Wir sind da. Auch Fragen und

Wünsche. Fragen und Wünschen? Ebenfalls ja, wir stehen überhaupt gerne in Kontakt.

Peter gibt es eine Möglichkeit mit uns in Kontakt zu treten. Ja wir haben a E-Mail-Adresse

eingerichtet, Oliver, wie du weißt und zwar podcast@stpoelten.lknoe.at

Sie wissen schon, das Ö wird mit OE in der E-Mail-Adresse geschrieben.

Aber Sie finden die E-Mail-Adresse auch unter den Show Notes des Podcasts.

Was würdest du den ZuhörerInnen zu Hause mitgeben, betreffend deren Zukunft und

deren Entscheidungsfähigkeit und einem eventuellen Krankenhausaufenthalt?

Ich glaube, das Allerwichtigste ist Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung.

Das bedeutet, dass man sich einmal Gedanken macht, wie würde ich

entscheiden, wann und das schriftlich festhält. Das muss jetzt nicht unbedingt

mit einer verbindlichen Patientenverfügung passieren, wo ich

auch Juristen und Arzt brauche. Es reicht auch ein Schriftstück, wo ich mich festlege,

was ich denn möchte oder vor allem auch nicht möchte, weils auch ein Veto-Rechte ist.

Das wäre dann eine alle andere Patientenverfügung, die mit Einfluss in

die Entscheidungsfindung und das andere ist, man sollte sich halt wirklich eine

gute Vertrauensperson suchen, die auch diesen Willen dann bringt und kundtut.

Ich bin ja jetzt hier als oft Notfallmediziner in der Intensivmedizin nicht

verpflichtet, diese Instrumente der Willenskundgebung zu suchen, sondern

ich bin ja irgendwie darauf angewiesen, dass sie mir gebracht werden und das

bedarf der Vertrauensperson. Was die Juristen sagen, das Allerbeste ist,

wäre eine Vorsorgevollmacht. Also ich such eine Vertrauensperson,

gehe zum Notar und mache also einen Notariatsakt, dass eben mein Vorsorge

Bevollmächtiger mich vertritt in Phasen meines Lebens, wo ich nicht

entscheidungsfähig bin und hiermit quasi meinen Willen repräsentiert. Oder zumindest

wenn ich nicht mehr so ganz gesund bin, ein gewählten Erwachsenenvertreter,

wo ich immer noch aussuchen kann, wer mich vertritt, es gibt mir als Patienten

oder zukünftiger Patientin die Möglichkeit auch tatsächlich den zu

suchen, der mich vertreten soll. Das hat ja auch was mit meinem Willen zu tun.

Und das würde ich gerne mitgeben, dass man sich wirklich vorbereitet für

diese Situationen, dass man jemanden hat, der den Willen kundtut, der diese

Unterlagen auch bringt und der dann für die Gespräche zur Verfügung steht.

Heißt nicht, dass man dich im Stich lassen und jetzt sagen und jetzt entscheide,

sondern das ist schon auch genauso ein geführtes Gespräch. Aber ich glaube, wenn man

sich so eine Person sucht, dann redet man auch viel mehr im Vorfeld. Das macht

einfach das Wissen gegenseitig viel breiter und man kann auch viel mehr

im Willen der Patienten, die nicht mehr entscheidungsfähig sind tun.

Aber letztlich muss diese Willensbekundung vor Ort sichtbar werden.

Also du brauchst eine Person, die die bringt.

Das ist schön, dass du das jetzt auch noch mal ansprichst, weil die Helga

spricht auch immer von einer Vertrauensperson, die das auch überbringt.

Und ich glaube genau, das ist dieser Punkt, die das auch überbringt,

hast du da einen Tipp Helga aus deiner langjährigen Erfahrung, was Vertrauenspersonen betrifft?

Ich glaube, die Vertrauensperson, das ist was ganz zutiefst Individuelles,

kann man sich nur selber aussuchen. Wahrscheinlich wird es am besten sein,

aus dem sehr nahen Verwandtenkreis oder kann auch Bekanntenkreis sein.

Oft steht einem der beste Freund näher als die Familie.

Aber dass man fix ausmacht, du, wenn was ist, dann bring meine Patientenverfügung

dorthin, vertritt meinen Willen. Ich glaube, es ist so wie alles,

einfach im Leben, dass man es vorbereiten muss und es muss ausgesprochen werden.

Man kann nicht erwarten, dass der andere sich das denkt und eh weiß.

Sondern ich glaube wirklich, man muss das gezielt vorbereiten für diese Situationen

und in der Hoffnung, dass man es nicht braucht, ist das Instrument.

Aber wichtig ist die Vorbereitung.

Und schon mit einer fachlichen Unterstützung, nicht, weil ich denke mal jetzt,

wenn ich das aus Laiensicht betrachte,

ich habe ja gar keine Ahnung darüber, was alles möglich ist.

Ich habe ja jetzt intensiv medizinisch überhaupt keinen Plan,

was alles ginge, entsprechend das auszuschließen, wäre auch schwierig.

Also macht es wahrscheinlich Sinn, dass man es ja auch für eine Vorsorgevollmacht,

beispielsweise eine fachliche Unterstützung holt, die prinzipiell über die Möglichkeiten aufklärt oder?

Die Vorsorgevollmacht hat ja noch dazu den Vorteil,

dass man Elemente der Patientenverfügung mit hineinnehmen kann

und so den Vorsorgebevollmächtigen unterstützt in der Willenskundtuung.

Das muss ich sowieso beim Juristen machen.

Und es gibt Juristen, die das sehr gut machen, Notare,

die schon sehr viele Erfahrungen mit diesem Instrument haben.

Aber man kann bezüglich einer Patientverfügung durchaus zu den Hausärzten gehen,

die einen gut kennen, die einen da helfen.

Es gibt auch Formulare bei den Patientenanwaltschaften, wo man mal reinschauen kann.

Prinzipiell muss man sich halt einfach einmal schlaumachen.

Am besten ist sicher der Hausarzt, der man am besten kennt, um eben festzulegen, was man nicht möchte.

Du Helga, und jetzt mache ich das und mir geht es gut.

Und dann komme ich in eine Situation, wo ich die Patientenverfügung mitnehme ins Krankenhaus.

Ich bin in der Lage, mich selbst zu äußern und meinem Willen zu äußern.

Und ich überlegs mir dann vielleicht anders?

Liegt es und pickt es, wie man so viel sagt, beim Schnapsen?

Oder hat man da noch die Chance, dass man sagt, ich habe das dort zwar aufgeschrieben,

aber wie schaut das aus?

Patient Patientin kann die Patientenverfügung jederzeit zurücknehmen.

Und prinzipiell ist es so, dass das, was direkt mit dem Behandlungsteam vereinbart wurde, das Gültige ist.

Und auch eine nachträgliche Verschlechterung der Entscheidungsfähigkeit würde eine vorher klar vereinbarte Willenskundtuung nicht aushebeln.

Also wir haben das ja immer wieder, dass Patientenverfügungen vielleicht nicht ganz glücklich geschrieben sind.

Dann kommen Patienten zu sehr großen Operationen, wo man durchaus auch vereinbaren kann.

Man hebelt jetzt diese Patientenverfügung für einen gewissen Zeitraum aus, der notwendig ist,

um eine Genesung herbeizuführen, um nicht von vorn herein zu sagen, da ist man chancenlos war.

Da müsste ich eigentlich von vorn herein manche Operationen ablehnen.

Wenn man das Risiko so hoch ist, dass die Nachbehandlung nicht stattfinden darf,

aufgrund der Patientenverfügung und dadurch der Patient der schlechte Outcome nimmt,

dann kann ich die Operation auch gar nicht durchführen.

Und da kann man das durchaus gut dokumentiert und nachvollziehbar machen,

dass diese für eine gewisse Zeit ausgehebelt wird und schlagend, wenn alle diese Instrumente auch nur dann,

wenn der Patient auch mit Unterstützerkreis, so wie ichs am Anfang erklärt habe, nicht mehr entscheidungsfähig ist.

Ja, ich glaube, das war ein ganz wichtiger Satz.

Liebe Helga, ich glaube, wir haben uns jetzt 25 Minuten recht trefflich über klinisch-ethische Beratung

bzw. über Pläne für die Zukunft unterhalten. Gibt es noch irgendein Schlussappell, den du an die Zuhörerschaft senden wirst?

Und als Zuhörerschaft würde ich für uns definieren, die breite Öffentlichkeit, die mit dem Krankenhaus konfrontiert werden kann, zu jeder Zeit

und natürlich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort.

Appell draußen an die Menschen ist, dass sie nie vergessen, dass sie im System, im medizinischen System

einfach die Experten für ihren Körper und ihren Willen sind, und das ist dem medizinischen Expertentum

gleichgestellt, damit kann man auch Asymmetrie in der Diskussion aufheben, und man unterhaltet sich auf Augenhöhe.

Das, was ich noch mitgeben möchte, ist Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung.

Einfach zu einem Zeitpunkt sich Gedanken machen, wie würde ich jetzt entscheiden, wenn ich diese Entscheidung treffen müsste

und wenn man gerade nicht eine verbindliche Patientenverfügung macht, dann kann man jeden Tag was dazuschreiben, bei der allen anderen Patientenverfügung

ganz wichtig auch, dass man sich eine Vertrauenspersonen sucht, die diesen Willen auch übermitteln kann.

Ja, und weiterhin, wenn man in ein Krankenhaus kommt und vor schwierigen Entscheidungen steht, auch an die klinisch-ethische Beratung denkt, die man einberufen kann.

[Musik]